NZZ du 16.01.15 - Arolla, am Ende der Welt

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Arolla im Val d'Hérens

Am Ende der Welt

Abseits vom Massentourismus bietet der Walliser Weiler Arolla verschiedene Möglichkeiten für Wintersport. Und dies angesichts einer äusserst eindrücklichen Bergkulisse.

Arolla, der kleine Weiler zuhinterst im Walliser Val d'Hérens, dürfte als Ausgangs- oder Schlusspunkt einer Wanderung so manchem Berggänger bekannt sein. Ein Aufenthalt lohnt sich allerdings auch im Winter, obwohl er für Deutschschweizer mit einer langen Anreise verbunden ist. Doch die Fahrt ist bereits das erste Ferienerlebnis: Nach dem weiten Rhonetal führt die Strasse ab Sitten den Berg hoch, immer weiter hinein ins rund 40 Kilometer lange Val d'Hérens. Nach den Moränentürmen von Euseigne wird die Kulisse zunehmend spektakulär, sprich alpin. Die Viertausender, die im Talabschluss majestätisch in den Himmel ragen, haben eine beeindruckende Dimension.

Reise in die Abgeschiedenheit

In Les Haudères steigen wir in ein zweites Postauto um. Die Weiterfahrt talein- und bergwärts will nicht enden. Doch schliesslich sind wir in Arolla, auf 2000 Metern über Meer, an der Endstation des öffentlichen Verkehrs und gefühlsmässig am Ende der Welt. Der mächtige Mont Collon, der mit seiner Form ein wenig an den Tödi erinnert, steht wie ein Riese da, der das Hochtal hier abschliesst. Der Blick schweift zu Eis, Schnee und spitzigen Felsformationen. Bis in die fünfziger Jahre kam man von Les Haudères nur zu Fuss oder auf Maultieren hierher, seit 1968 ist Arolla mit dem Postauto erreichbar. Die Haltestelle bildet sozusagen das Dorfzentrum, um das sich ein paar Häuser, ein kleiner Laden mit einheimischen Produkten, ein Restaurant und ein Sportgeschäft gruppieren. Nur gerade 50 Personen leben das ganze Jahr über hier. Vier Hotels erwarten die Sommer- und Wintergäste.

Das Grand Hôtel und Kurhaus ist das bekannteste. Es liegt auf einer Sonnenterrasse, umgeben von Lärchen und Arven – Arolle heisst auf französisch Arve. Das Drei-Sterne-Haus aus der Zeit des aufkommenden Tourismus in den Schweizer Alpen ist Mitglied von Swiss Historic Hotels. Das wohlproportionierte Gebäude wurde während vier Jahren aus hiesigem Stein und Holz errichtet und im Jahre 1896 eröffnet. Im Winter sind die 65 Zimmer mit Bad oder Dusche übers Wochenende hauptsächlich von Gästen aus den Regionen Genf und Lausanne belegt. «Mein Urgrossvater kaufte das Land vom Bischof von Sitten», erzählt Peter Weatherill, der das Hotel heute in der vierten Generation führt. Die Sommermonate hat er als Kind im Hotel verbracht, aufgewachsen ist Weatherill als Sohn eines englischen Vaters in Sitten, wo er auch heute lebt. Der Salon des Hauses, in dem abends das Cheminéefeuer lodert, gehörte damals zur Wohnung der Direktion. Honorine Gaspoz und ihr Gatte, die beiden Hotelgründer und Urgrosseltern von Weatherill, sind hier in Form von zwei gemalten Porträts noch immer präsent. Zu sehen sind auch die ersten Seiten des Livre d'hôte, in dem sich die ersten, vorwiegend englischen Gäste des Hotels eingetragen haben.

100 Kilometer Pisten

Heute ist das Hotel auch ein Ort für Familien. Tagsüber kümmert sich ein Animateur um die Kleinen, die Grösseren können sich auch selbständig machen: Die Bretter werden vor dem Haus angeschnallt, und ab geht's zum nahen Skigebiet, das 5 Skilifte und 47 Kilometer markierte Pisten umfasst, die bis in eine Höhe von gegen 3000 Metern reichen. Zusammen mit Evolène und La Forclaz, den beiden andern kleinen Skiorten im Val d'Hérens, sind es sogar 100 Kilometer.

Noch liegt in Arolla erst wenig Schnee, und wir mieten im ortsansässigen Sportgeschäft Schneeschuhe, mit denen wir vom Grand Hôtel und Kurhaus aus den Sonnenhang hinauf marschieren. Für Schneeschuhtouren ist der Weg noch nicht markiert, doch wir finden ihn auch anhand der Wanderwegzeichen und gelangen traversierend zur Alp Remointse de Pra Gra auf 2480 Metern. Die gegenüberliegende Bergkette mit der Pointe de Tsalion und der spitzen Aiguille de la Tsa sowie die offenen Hänge oberhalb von Les Haudères bieten ein grandioses Panorama. Nichts wurde in dieser Landschaft verbaut, der Blick schweift weit über eine wilde und unberührte Natur. Eindrücklich ist auch die Pigne d'Arolla. Hatten wir am Tag zuvor das Gefühl, am Ende der Welt angekommen zu sein, so übertrifft sich der Eindruck der Abgeschiedenheit hier oben gleich mehrfach.

Vom Fenster des warmen Hotelzimmers aus zeigt sich die Bergkette am späten Nachmittag in den letzten Sonnenstrahlen. Abends essen wir im Restaurant des Hotels, wo uns eine urbane Küche durchaus positiv überrascht. An den Nebentischen wird Englisch und Französisch gesprochen. Schweizerdeutsch hört man an diesem Abend nicht, was uns das Gefühl vermittelt, weit weg oder gar in einem anderen Land zu sein.

Mit der heutigen Schneeschuhtour haben wir nur eine der fünf Routen absolviert, die in der Region zwischen Evolène und Arolla zu entdecken sind. Bekannt ist Arolla aber vor allem als Ausgangspunkt für Skitouren. Das weite Gelände am Südhang eignet sich besonders gut dafür. Im Frühjahr werden dann die hohen Gipfel bestiegen. Der Ort liegt zudem an der legendären Haute Route Chamonix–Zermatt, die mindestens sieben Tage umfasst. Nicht zuletzt ist Arolla auch Station der Patrouille des Glaciers, des grossen Rennens im Skibergsteigen, das alle zwei Jahre im Frühling stattfindet. Die längere Strecke führt von Zermatt nach Verbier, die kürzere von Arolla nach Verbier.
Langlaufen und lesen

Wer nicht gar so hoch hinauswill, findet sich im Tal unten auch mit Langlaufski zurecht. Evolène / Les Haudères und Arolla bieten 60 Kilometer klassische Langlauf- und Skating-Loipen. Was aber tut man in Arolla im Winter bei schlechtem Wetter? Peter Weatherills Antwort kommt ohne Zögern: «Lire!» In der Tat: Sollte es überhaupt nicht mehr aufhören zu schneien, wäre hier oben, auf über 2000 Metern, der ideale Ort, um wieder einmal exzessiv zu lesen. In früheren Zeiten waren die Aussichten in dieser Hinsicht noch besser: Die heute gut geschützte Strasse war in strengen Wintern nicht selten bis zu eine Woche gesperrt.

Daniela Kuhn

Das Grand Hôtel und Kurhaus, Drei-Sterne-Haus aus der Zeit des aufkommenden Tourismus in den Schweizer Alpen und Mitglied von Swiss Historic Hotels.
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